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Nachgeforscht bei Andreas Rienow von "KlimNet - Stadt und Land im Fluss"

In ihrem Projekt "KlimNet – Stadt und Land im Fluss" können Bürger*innen in Bonn und Gelsenkirchen mithilfe von Crowdmapping helfen, ihre Orte an den Klimawandel anzupassen. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen  und was versteckt sich denn genau unter dem Begriff Crowdmapping?

Wir wurden seitens der Bezirksregierungen, aber auch seitens der Landschaftsverbände in NRW immer wieder mal auf Versiegelungskarten angesprochen, die wir an der Universität Bonn zu Beginn des Jahrtausends auf Basis von Satellitenbilder für die Jahre 1975-2005 erstellt und beim Umweltministerium NRW (MULNV, damals steckte in der Abkürzung noch das „K“ für „Klimaschutz“) für die Gemeinden zugänglich gemacht haben. Sie zeigten kommunalscharf und räumlich-explizit die Flächeninanspruchnahme und Flächenversiegelung. Irgendwann wurde aber der Server abgestellt und die Gemeinden griffen ins Leere. Mit dem Projekt „KlimNet“ sahen wir die Chance, nicht nur die Versiegelungskarten auf Basis verbesserter Daten fortzuführen und wieder öffentlich bereitzustellen, sondern auch interessierte Bürger*innen mithilfe von Crowdmapping-Aktionen für das Thema Flächeninanspruchnahme im Kontext der Klimaanpassung zu sensibilisieren und durch das Mitforschen natürlich ganz klar auch zum Schutz des Klimas aufrufen. Ich persönlich war sehr froh, dass meine neue berufliche Heimat, die Ruhr-Universität Bochum, dieses Vorhaben unterstützte, sodass wir mit den Bonner Kolleg*innen von der Uni und dem Wissenschaftsladen Bonn e.V. begannen die Bürger*innen dazu aufzurufen, in ihrer Stadt, genauer in Gelsenkirchen, Bonn und zum Teil auch in Bochum, die Orte aufzusuchen und zu kommunizieren, die ihrer Meinung nach vom Klimawandel betroffen sind: Das können zum Beispiel Plätze sein, die im Sommer besonders heiß werden oder von Nachbarschaften, die von tropischen Nächten betroffen sind. Wenn man zum Beispiel in einer stark versiegelten Wohngegend wohnt, die wenig durchlüftet ist, dann ist das natürlich ein Problem, besonders für ältere Leute. Diese Bevölkerungsteile sind stärker von diesen Folgen des Klimawandels, nämlich heißere und feuchtere Nächte, betroffen als in anderen Gegenden. Beim Crowdmapping geht es also um das Kartieren von Räumen und Bürger*innen können betroffene Orte auch kommentieren. Jede*r kann also seine Ideen einbringen und einen Aufruf starten, zum Beispiel eine Fläche zu entsiegeln, einen Park anzulegen oder einfach ein paar Bäume zu pflanzen.

Geben Sie den Bürger*innen Werkzeuge an die Hand oder machen Sie Vorgaben, damit die Bürger*innen wissen, welcher Ort passend ist?

Das ist eine sehr gute Frage. Wir führen Workshops durch, zum größten Teil mit Jugendlichen zwischen der Schule und dem Berufsleben bzw. dem Studium. Wir zeigen denen, wie dieses Mapping funktionieren könnte. Dazu veranstalten wir auch Wissenschaftscafés – die setzen wir gemeinsam mit unseren Kolleg*innen vom Wissenschaftsladen Bonn um.  In den dortigen Seminaren und Workshops treffen die interessierten Bürger*innen dann auch auf die Kommunalpartner; also diejenigen, die am Ende dann vielleicht entscheiden können, wie sich eine Stadt zugunsten der Klimafolgen verändern kann.

Wer sind denn die Bürger*innen, die an diesen Veranstaltungen teilnehmen?

Wir können glaube ich schon sagen, dass das ein Querschnitt durch die Gesellschaft ist: von jungen Leuten bis zu älteren Interessierten, weiblich, männlich, studiert, nicht studiert, Akademiker, Nicht-Akademiker. Alle, die sich auch nur im weitesten Sinne mit den Themen Umwelt, Klimawandel oder globaler Wandel an sich beschäftigen, sind auch meistens bei unseren Veranstaltungen vertreten. Hinzu kommen da die lokalen Partner der Städte. In Gelsenkirchen gibt es beispielsweise auch ein tolles Projekt, wo versucht wird, junge Menschen nicht nur für die Fragen des Klimawandels zu interessieren, sondern auch für das wissenschaftliche Arbeiten. Da sind wir mit dabei und versuchen u.a. für die Frage „Was ist überhaupt Wahrheit?“ in diesem Kontext zu sensibilisieren. Unser Ziel ist es, die jungen Menschen dabei zu unterstützen sich im Wust der Fakten besser zurechtzufinden. Und natürlich auch aufzuzeigen, dass Wahrheiten gerne mal zwei Seiten haben können, an die man mit einer gewissen Validität herangehen muss.

Gab es in Ihrem Projekt bereits einen Moment, der Sie überrascht hat oder etwas das sie nicht erwartet hätten?

Manchmal sind wir positiv überrascht, wie schnell wir die Teilnehmenden begeistern können. Jedoch sind viele Leute immer noch ein bisschen skeptisch oder nicht so sicher im Umgang mit der vielen Arbeit am Computer, gerade wenn es um Datenverarbeitung geht. Bei den Studierenden in unseren Workshops, die selbst Klimareihen auswerten oder Karten erstellen mit Satellitendaten, sehe ich da häufig überhaupt keine Hemmschwellen. An Schulen müssen wir da manchmal vielleicht ein bisschen mehr Überzeugungsarbeit leisten, aber auch dort sehen wir großes Interesse: Wir haben in Gelsenkirchen eine Art Klima-Frühstück veranstaltet und ein Youtube-Video erstellt. Es war toll zu beobachten, wie schnell die Teilnehmenden sich in diesem Thema zurechtgefunden haben, insbesondere bei Leuten, die vorher nur wenig in Kontakt mit wissenschaftlichen Methoden gekommen sind.

Womit ringen Sie in ihrem Projektalltag am meisten? Was würden Sie vielleicht beim nächsten Mal anders machen?

Bisher läuft das Projekt so wie wir es uns vorgestellt haben. Wo wir doch ein paar Probleme haben, ist bei der eigentlichen Bereitstellung von Datensätzen. Das hatten wir uns leichter vorgestellt, aber da stoßen wir jetzt einfach an unsere Grenzen - trotz Großcomputer, Big Data und Crowdcomputing. Wir wollen natürlich Daten bereitstellen, die einer gewissen Genauigkeit entsprechen; Daten, denen man vertrauen kann. Eine weitere Herausforderung ist die Zusammenarbeit mit den Kommunen. Im Umweltdezernat hat alles sehr gut funktioniert, in anderen Dezernaten haben die noch dicke Bretter zu bohren. Das Thema Klimawandel wird aber in beiden Kommunen Bonn und Gelsenkirchen ganz groß geschrieben, so dass es wirklich schön ist mit denen zusammen zu arbeiten.

Galileo Galilei hat gesagt: „Die Neugier steht immer an erster Stelle eines Problems, das gelöst werden will.“ Was sind denn die drei wichtigsten Eigenschaften, um bei ihrem Projekt mitzumachen?

Neugier auf jeden Fall! Und generell ein Interesse an Umweltfragen. Gerade Themen des Globalen Wandels sind für uns sehr wichtig. Für mich als Geograf, und für uns im Projekt, sind die Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN-Agenda 2030 ein sehr großes Thema. Ein Interesse an diesen globalen Fragestellungen, das Globale im Lokalen wiederzufinden, finde ich gerade das Spannende. Zum anderen ist es auch vorteilhaft ein Interesse an räumlichen Fragestellungen mitzubringen, also gerne mit Karten, digitalen Daten – auch von Satelliten – umgehen wollen. Und als Drittes: Auf Veränderungen des eigenen Raumes mit Handlung zu reagieren anstatt nur zu schimpfen: „Die da oben machen immer alles schlecht und ich könnte es viel besser machen“. Nein, rausgehen und es besser machen.

Warum ist denn die Einbeziehung der Bürger*innen in Ihrem Projekt so wichtig und was kann man in diesem Projekt dazulernen?

Ein ganz wichtiger Teil unseres Projektes ist die Vielfalt der Akteure, die hier zusammenkommen: Das sind zum einen die Universitäten und Kommunen, aber auch beispielsweise unser Partner, der Wissenschaftsladen Bonn, die die Kommunen und die Bürger*innen mit an Bord holen und mit in den Prozess miteinbeziehen. Häufig ist es ja so, dass da ein Mangel von Wissen oder mangelnden Informationen herrscht. Aber erst wenn ich weiß, warum ein bestimmter Raum für die Klimawandelanpassung geeignet ist oder nicht oder warum wir einen bestimmten Raum nicht entsiegeln, und wir mit allen Akteuren ins Gespräch kommen, kann man den größeren Rahmen verstehen: Dann sehen wir, welche Akteure noch alle Interesse an einer Fläche haben könnten. Das muss nicht nur ein wirtschaftliches Interesse, das kann auch immer noch ein Interesse im Rahmen von Umweltfragestellungen sein, wie zum Beispiel Tierschutz oder Artenschutz. Und hier wollen wir auch zeigen, dass wir die Stimmen der Bürger*innen wertschätzen und ihr Interesse und ihre Ideen Gehör finden.   

Wo kann man denn die Ergebnisse ihres Projektes sehen und inwiefern können die Ergebnisse von anderen Städten übernommen werden?

Die Ergebnisse des Projekts, unsere Konzepte und aktuelle Veranstaltungen findet man auf unserer Homepage klimalandschaften-nrw.de sowie auf klimnet.geographie.ruhr-uni-bochum.de. Wir versuchen auch immer andere Kommunen an den Ergebnissen teilhaben zu lassen: Deswegen geben wir auch anderen interessierten Gemeinden ein Konzept an die Hand, damit diese wissen, welche Mittel und Methoden man braucht, um so etwas wie in Bonn und Gelsenkirchen umzusetzen. Wir wünschen uns sehr, dass dieser Transfer in andere Kommunen gelingen kann.

Was war denn Ihr bisher schönster Citizen-Science-Moment? Oder der größte Erfolg der bisher gemeinsamen Forschung?

Es gab mehrere Momente! Zum einen sind das immer die jährlichen Treffen mit den Partnern der Kommunen, wo man die Ergebnisse vorstellt und auch zeigen kann, dass es in die richtige Richtung geht. Außerdem haben mich die jungen Leute total begeistert, die so Lust hatten auf geografische Informationssysteme. Da geht einem als Geograf das Herz auf. Außerdem hatten meine Kolleginnen bei diesem Klima-Frühstück in Gelsenkirchen wirklich Spaß mit den Jugendlichen. Mit denen rauszugehen, deren Orte zu mappen und deren Nachbarschaft mal anders kennenzulernen. Das waren auf jeden Fall die schönsten Momente bisher. 

 

Florence Mühlenbein

Als Projektleiterin gestaltet und verantwortet Florence die Ausrichtung des Wettbewerbs. Zuvor war sie als Projektmanagerin bei mit:forschen! Gemeinsam Wissen schaffen tätig.