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mit:forschen!

Die Plattform für Citizen-Science-Projekte aus Deutschland: Mitforschen, präsentieren, informieren!

Preisträger Sven Bittenbinder: „Durch unsere Plattform kommen Forschungs- und Lösungsideen aus dem Feld.”

YurolaitsAlbert von Getty Images / Canva

Den zweiten Platz des Wissen der Vielen-Preises gewann der Wirtschaftsinformatiker Sven Bittenbinder stellvertretend für sein Team für die Publikation „Research Buddy – From a Framework for Overcoming Language Barriers to the Development of a Qualitative Citizen Science Platform.” Gemeinsam mit Studierenden und älteren Bürger*innen entwickelten sie einen Prototyp für eine Austauschplattform zu partizipativen Forschungsprojekten. 

Was sind deine Forschungsinteressen? 

Sven: Ich arbeite am Lehrstuhl „Wirtschaftsinformatik, insbesondere IT für die alternde Gesellschaft“ von Professorin Dr. Claudia Müller an der Universität Siegen. Wir sind in der Sozioinformatik und der Human-Computer-Interaction verortet und widmen uns der IT-Forschung in den Feldern Gesundheit, Altern und Barrierefreiheit. Wir schauen gezielt darauf, wie Menschen sich Digitaltechnik aneignen und wie Technik Praxis verändert. Ich habe meinen Forschungsschwerpunkt auf Barrierefreiheit und Zugänglichkeit in Verbindung mit praxistauglichen Lösungsansätzen gelegt. Das bedeutet, dass wir gemeinsam mit Menschen forschen, entwickeln und Lösungen kreieren. Wichtig ist mir dabei ganz besonders, dass wir keine Schubladenlösungen entwickeln, sondern solche, die auch genutzt werden können. Dabei verwenden wir einen qualitativen Forschungsansatz, wie auch bei unserer prämierten Publikation „Research Buddy". 

Was begeistert dich am wissenschaftlichen Arbeiten?

Sven: Mich begeistert die Abwechslung im Arbeitsalltag und auch die Neugier ist mir wichtig. Es ist der Forscherdrang, etwas Neues herauszufinden, etwas Neues zu tun, Sachen auszuprobieren und kreativ zu sein. Wir arbeiten viel empirisch und es gefällt mir, mit unterschiedlichen Personen im Austausch zu sein.

Was haben dein Team und du in der prämierten Publikation erforscht? 

Sven: Ursprünglich war das Projekt angedacht als Unterstützung für englischsprachige Studierende, die bei uns am Lehrstuhl empirische Feldarbeit, z.B. Interviews im Rahmen ihres Studiums machen sollen. Dafür haben sie englischsprachige, ältere Co-Forschende gesucht. Dafür haben wir zunächst eine schnelle Lösung entwickelt – eine Matching-Plattform mit Wordpress, wo die Studierenden ihr Forschungsprojekt posten konnten und eine Reihe an älteren Bürger*innen, die gut englisch sprechen konnten, sich als Interviewpartner*innen bei ihnen melden konnten. Die erste Version war ganz schnell und einfach entwickelt worden, sodass wir uns über das Interesse von Oliver Specovius gefreut haben, im Rahmen seiner Masterarbeit die Plattform nutzerfreundlich und schön zu gestalten. 

Durch Olis intensive partizipative Forschung mit unterschiedlichen Akteursgruppen hat er weitere Interessen und Bedarfe herausgefunden. So wurde klar, dass die älteren Menschen, die sich als Interviewpartner*innen zur Verfügung gestellt hatten, großes Interesse daran hatten, mehr über die Studierendenprojekte zu erfahren, in die sie jeweils eingebunden waren. So wollten alle gerne das Endergebnis lesen oder auch wissen, bei welchen anderen Projekten ihre älteren Peers teilnahmen. Ebenso sollte ein Austausch unter der älteren Peergruppe ermöglicht werden, sodass Projekte von anderen kommentiert werden können. Und zu guter Letzt lieferten die Interviewpartner*innen – als Expert*innen ihrer eigenen Praxis – tolle Ideen für neue Forschungsfragen im Bereich IT-Gestaltung und -nutzung für ältere Menschen. 

Wer hat im Projekt mitgeforscht? 

Sven: Die eine Interessengruppe waren die internationalen Studierenden, die für ihre Empirie englischsprachige Forschende finden wollten. Da wir vom Lehrstuhl schon etwas länger in der Praxisforschung unterwegs sind, haben wir bereits relativ große Netzwerke. Aus einem Senior Expert Netzwerk gab es mehrere Menschen, die Lust hatten, sich in der Wissenschaft zu engagieren. Als dritte Gruppe gab es auf Seiten der Uni die Lehrenden, die im Projekt einen Gewinn gesehen haben. Sie wünschten sich, dass die Studierenden gute empirische Projekte durchführen können und wollten ihnen helfen, an die entsprechenden Menschen zu kommen, mit denen sie zusammenarbeiten können. 

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse eurer Publikation? 

Sven: Die Plattform „Research Buddy" baut Barrieren im englischsprachigen studentischen Umfeld in Deutschland und auch darüber hinaus ab. Aus soziotechnischer Sicht waren das sehr interessante Erkenntnisse über die Verzahnung von den verschiedenen analogen und digitalen Prozessen. Die Plattform schafft neue Möglichkeiten für alle Teilnehmenden, um wertvolle Beiträge für die Forschung und Praxis zu leisten. Die wechselseitige und offene Infrastruktur hat Austausch ermöglicht. Wir haben mit ihr eine Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen den Bürger*innen, den Lehrenden und den Studierenden geschaffen, die über die traditionellen Citizen-Science-Ansätze hinausgeht. Am Ende ging es nicht mehr nur um den Abbau von Sprachbarrieren, wie ursprünglich konzipiert, sondern wir konnten Barrieren zwischen den verschiedenen Rollen, also Bürger*innen und Studierenden und Forschenden abbauen. Es ist eine Struktur entstanden, die eine proaktive, gleichberechtigte und offene Zusammenarbeit fördert, indem sie den reziproken Austausch zwischen Forschung und Gesellschaft ermöglicht. Über unsere Plattform können Bürger*innen Forschungsideen beitragen und sich an Forschung beteiligen.

Wie habt ihr vom Wissen der Vielen profitiert?

Sven: Unser Wissen der Vielen hat sich durch die Partizipation von verschiedenen Stakeholdern und Nutzergruppen ergeben, die alle ein gewisses Eigeninteresse hatten. Die Entwicklung des Prototyps wurde anhand ihrer eigenen Bedarfe und Vorstellungen vorangetrieben. Wir machen am Lehrstuhl viel partizipative Forschung. Durch die Plattform ist nun ein neuer Grad der Beteiligung möglich. Wir gehen jetzt nicht mit einer Idee ins Feld, sondern durch unsere Plattform kommen Forschungs- und Lösungsideen aus dem Feld. 

Ist der entwickelte Prototyp eigentlich für alle Interessierten nutzbar?

Sven: Der erste, einfache Prototyp für „Research Buddy" war eine Zeit lang öffentlich erreichbar. Allerdings haben wir ihn zurzeit abgeschaltet, da unser Projekt über keine Mittel verfügt, um Qualitätssicherung und Sicherheit zu gewährleisten. Nun sieht es dank der 10.000 Euro Preisgeld anders aus und wir können eine Weiterentwicklung vorantreiben. Spannend fände ich es, dabei einen besonderen Fokus auf einen weiteren Barriereabbau zu legen und somit noch mehr Gruppen von Menschen, vor allem Menschen mit Behinderung, die Teilnahme an der Wissenschaft zu ermöglichen.

Was hat dir an der Zusammenarbeit mit den Citizen Scientists gefallen? Was war herausfordernd? 

Sven: Das Schöne sind die vielfältigen Perspektiven und der offene Austausch. Man hat die Expert*innen mit ganz viel Erfahrungswissen aus ihren Feldern und unterschiedlichen Ideen. Das inspiriert gegenseitig und macht Spaß. Gleichzeitig ist es auch eine Herausforderung, diese verschiedenen Blickwinkel und Interessen so zusammenzubringen, dass gut gearbeitet werden kann – also ein Vorgehen und Ziel zu finden, von dem alle einen Benefit haben. Die Externen wissen beispielsweise nicht unbedingt, was für Anforderungen die Studierenden an ihre Forschungsarbeit haben. Andersherum kennen die Studierenden die Herausforderungen der Praxis nicht. Es braucht erst einmal Zeit für Austausch und Annäherung. Es muss eine Atmosphäre geschaffen werden, in der klar wird, dass alle unterschiedliche Kompetenzen haben und diese gleichberechtigt einbringen dürfen.

Was waren deine Highlights im Projekt?

Sven: Zunächst möchte ich noch einmal die tolle Arbeit von Co-Autor Oliver Specovius erwähnen, der die empirischen Erhebungen federführend durchgeführt hat. Er hat die verschiedenen Treffen gemanagt und eine sehr gute Atmosphäre für alle Teilnehmenden geschaffen. Ein weiteres Highlight war, wie viel Input die Co-Forschenden geliefert haben. Wir haben mehrere Iterationsschleifen durchgeführt, sprich auf die erhobenen Daten geschaut, überlegt, was daraus werden könnte und sie wieder zurückgespielt. Es war ein Highlight für mich, wie im Verlauf aus der ursprünglichen Idee mit den richtigen Teilnehmenden so eine in Anführungszeichen große Plattform mit völlig anderem Fokus entstehen kann. Das ist das Schöne, wenn man mit den Menschen zusammenarbeitet, dass es ganz oft inspirierend, kreativ und ergebnisoffen wird. Unser Projekt hat das sehr gut gezeigt!

 

Leonie Malchow

Leonie ist über die Welt der Engagement- und Demokratieförderung bei der Citizen Science gelandet. Im Team ist sie für Projektmanagement und Kommunikation zuständig.