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Citizen Science & KI: Ein Rückblick auf den Campus Citizen Science 2025

Foto: Barbara König / mit:forschen!

Beim ersten Campus Citizen Science am 6. Oktober 2025 verwandelte sich das Museum für Naturkunde Berlin für einen Tag in einen lebendigen Lern- und Experimentierraum mit spannenden Impulsen, angeregtem Erfahrungsaustausch und praktischen Workshops. Im Mittelpunkt stand dabei in diesem Jahr die Frage: Was steckt für die Citizen Science im Thema „Künstliche Intelligenz” (KI)? Rund 70 Teilnehmende aus Forschung und Zivilgesellschaft kamen zusammen, um gemeinsam zu diskutieren und verschiedene KI-Anwendungen auszuprobieren. 

Das Problem mit der Intelligenz

Zum Auftakt lud Dr. Anna Henschel (Wissenschaft im Dialog) mit ihrer Keynote dazu ein, die Art und Weise, wie wir über KI sprechen, kritisch zu hinterfragen. Sie zeigte auf, wie die Metapher von der „Künstlichen Intelligenz“ unser Verständnis der Technologie vermenschlicht und verzerrt – und welche Folgen dies haben kann. Denn wenn technologische Systeme als „intelligent“ oder „kreativ“ beschrieben werden, beeinflusst das die politische, juristische und gesellschaftliche Wahrnehmung. Henschel rief daher zu einem reflektierten Umgang mit Metaphern und mehr sprachlicher Genauigkeit auf: „Traut euch, nicht immer diesen Alles-oder-Nichts-Begriff zu verwenden, sondern konkret zu benennen, worum es gerade geht, also zum Beispiel um einen Chatbot oder ein Sprachmodell.” Wer mehr darüber wissen möchte, findet Anna Henschels ausführliche Gedanken in ihrem Gastbeitrag zu unserer aktuellen Blogreihe „Citizen Science & KI“.

Anna Henschel bei ihrer Keynote
Foto: Barbara König / mit:forschen!

KI in Citizen Science heute und in Zukunft

Im anschließenden World-Café stiegen wir an sechs Thementischen direkt in die Diskussion ein: Wie verändert KI die Citizen Science heute und in Zukunft? Wo liegen Chancen, Herausforderungen und Grenzen? Und was braucht es für eine sinnvolle und gelungene Integration von KI in bürgerwissenschaftlichen Projekten?

Im Austausch zu den bisherigen Erfahrungen der Teilnehmenden wurde klar, dass KI bereits vielfältig in Citizen-Science-Projekten eingesetzt wird. In einigen Fällen leistet Künstliche Intelligenz die Vorarbeit: Sie klassifiziert zum Beispiel Tierarten in Bildern oder Anomalien in Teleskopaufnahmen. Bürger*innen kontrollieren dann die Arbeit der KI. In anderen Projekten wird KI in der Datenanalyse genutzt. Und in manchen sind es sogar die Bürger*innen, die die KI trainieren. So wie bei Hanse.Quelle.Lesen!: Citizen Scientists transkribieren historische Dokumente zur hansischen Geschichte des 16. und 17. Jahrhunderts und liefern gleichzeitig Trainingsdaten für Modelle zur automatisierten Handschriftenerkennung. Mehr dazu gibt es im Interview mit den Projektverantwortlichen Dr. Angela Huang und Manuela Nitsch nachzulesen.

Austausch im World-Café
Foto: Barbara König / mit:forschen

Auch wenn also schon viel in Bewegung ist, wurde an den World-Café-Tischen deutlich, dass der erfolgreiche Einsatz von KI in Citizen Science kein Selbstläufer ist. Es braucht dafür entsprechende Rahmenbedingungen, finanzielle, zeitliche und personelle Ressourcen, vielfältige Kompetenzen und kritische Reflexion. Wichtig ist außerdem ein Bewusstsein dafür, wo KI die Arbeit erleichtert und wo sie diese erschwert sowie eine sorgfältige Abwägung zwischen Nutzen und Risiken. Bei vielen Teilnehmenden gibt es beim Einsatz von KI in partizipativen Forschungsprojekten noch Bedenken und Unsicherheiten, zum Beispiel bei den Themen Datensicherheit und Urheberrecht. Sie äußerten den Wunsch nach Unterstützung bei rechtlichen Fragen und bei der Orientierung im „Tool-Chaos” sowie nach mehr Vernetzung und Austausch zu KI im Bereich Citizen Science. 

Nachdenken & Ausprobieren 

Am Nachmittag wurde es in den fünf Think and Try Labs in zwei Runden dann ganz praktisch. Die Teilnehmenden haben unter anderem ausprobiert, wie man Prompts zielgerichteter gestaltet, Smartphones als Sensoren verwendet und Daten klüger nutzt. Für eine Überraschung sorgte dabei der plötzliche Feueralarm im Naturkundemuseum, der uns eine unverhoffte Pause an der frischen Luft verschaffte – zum Glück nur ein Fehlalarm und es konnte bald weiter getüftelt werden.

How to communicate 

Stefan Ullrich (Bildung, Bits & Bäume) knüpfte mit seinem Lab inhaltlich an die Keynote von Anna Henschel an: Wie können wir über KI und ihre Anwendung kommunizieren? Nach einem interessanten Input zur „Ideengeschichte” der „Künstlichen Intelligenz” konnten die Teilnehmenden die Kommunikation über KI-gestützte Projekte mit einem Spiel des Civic Data Labs auf unterhaltsame Weise selbst üben. 

Die Teilnehmenden pitchen KI-gestütze Projekte.
Foto: Barbara König / mit:forschen!

How to prompt 

Mihaela Bozukova (European Science Communication Institute) zeigte in ihrem Lab, wie schon kleine Veränderungen in der Formulierung eines Prompts einen großen Unterschied für das Ergebnis machen können. Sie stellte verschiedene Prompt-Typen – wie „Zero-Shot” (keine Beispiele vorgeben) und „One-Shot” (ein Beispiel vorgeben) – und die Prompt-Struktur „RAFT” (Role, Assignment, Format, Tone) vor, die die Teilnehmenden direkt an ihren eigenen aktuellen To-Dos ausprobieren konnten.

Mihaela Bozukova im Lab How to Prompt.
Foto: Barbara König / mit:forschen!

How to sensing

„Sensing” meint die Erfassung von Signalen aus der Umwelt (z. B. Schall, Licht, Temperatur) mit Sensoren (z.B. Smartphones, IoT-Sensoren, spezielle Messgeräte). In vielen Citizen-Science-Projekten werden Bürger*innen mittels „Sensing” zu Datensammler*innen und helfen, großflächig Informationen zu Biodiversität und Umwelt zu erfassen. Hanno Müller und Paras Mehta (Hasso-Plattner-Institut für Digital Engineering gGmbH) stellten in ihrem Lab verschiedene KI-gestützte Apps (iNaturalist, BirdNET, CrowdWater, …) vor, welche die Teilnehmenden direkt ausprobierten und nach Zugänglichkeit, Chancen und Risiken bewerteten. 

Teilnehmende im Lab How to Sensing
Foto: Barbara König / mit:forschen!

How to transcribe

Viele Archive und Bibliotheken stehen vor der Herausforderung, ihre Bestände zu digitalisieren und zu transkribieren, um sie besser zugänglich und durchsuchbar zu machen. In manchen Fällen unterstützen Bürger*innen ehrenamtlich als Citizen Scientists bei dieser Mammutaufgabe. Nicole Eichenberger (Staatsbibliothek zu Berlin) stieg mit einigen Grundlagen zur Generierung automatischer Volltexte mit OCR (Optical Character Recognition) in ihr Lab ein und stellte den Teilnehmenden im Anschluss KI-gestützte Tools zur Transkription vor, die sie gleich selbst anhand historischer Handschriften ausprobieren konnten. In der Diskussion ging es darum, wann und in welcher Form der Einsatz solcher Technologien in partizipativen Transkriptionsprojekten sinnvoll ist.

Nicole Eichenberger im Lab How to Transcribe.
Foto: Barbara König / mit:forschen!

How to data handling 

Forschungsdaten aufbereiten mit „Chatty”? Lisa Stubert und Nora Hunger (Technologiestiftung Berlin) stellten in ihrem Lab hilfreiche Datenportale und Tools zum Finden und Explorieren von Daten vor. Die beiden Referentinnen zeigten auf, wie man ganz praktisch – ja, zum Beispiel auch mit ChatGPT – Daten aufbereiten, visualisieren und analysieren kann. Gemeinsam mit den Teilnehmenden diskutierten sie außerdem, was in Zukunft noch möglich sein wird und was nicht. 

Blick ins Lab How to Data Handling
Foto: Barbara König / mit:forschen!

Kein Zauberstab, sondern ein Werkzeug

Nach den Think & Try Labs kamen alle Teilnehmenden im Dinosauriersaal des Naturkundemuseums noch einmal zu einem kurzen Wrap-Up und Ausblick zusammen. Der Campus Citizen Science war ein Tag voller neuer Impulse, kollegialem Erfahrungsaustausch und praktischer Erkenntnisse für die eigene Arbeit. 

Es wurde mal wieder deutlich: KI ist kein Zauberwerkzeug. Bei kompetenter und verantwortungsvoller Nutzung kann sie aber ein tolles Handwerkszeug sein, das neue Möglichkeiten in der Citizen Science eröffnet. Um sie nachhaltig einzusetzen, braucht es klare Rahmenbedingungen, ausreichende Ressourcen und Kompetenzen. 

Herzlichen Dank an alle Teilnehmenden, Referent*innen und Unterstützer*innen dieses ersten Campus Citizen Science! 


Teile deine Perspektive!

Mit unserer Umfrage „Künstliche Intelligenz in Citizen-Science-Projekten” untersuchen wir den aktuellen und zukünftigen Einsatz von KI-Tools in Citizen-Science-Projekten. Deine Erfahrungen und Einschätzungen sind wichtig, um die Nutzung, Bedarfe sowie Chancen und Herausforderungen besser zu verstehen. Wir laden dich herzlich dazu ein, bis zum 31. Oktober dein Wissen und deine Meinung im Rahmen der Befragung mit uns zu teilen. Vielen Dank!

Zur Umfrage

Fabienne Wehrle

Fabienne ist Projektmanagerin und Online-Redakteurin. Sie betreut die Plattform, kümmert sich um die Social-Media-Kanäle und ist für die Kommunikation rund um mit:forschen! Gemeinsam Wissen schaffen zuständig.