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mit:forschen!

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Allein auf weiter Flur? – Keinesfalls! Citizen Science trifft Sprachforschung

Gruppenfoto der Tagungsteilnehmenden, Foto: IDS

von Janin Rössel, Christine Möhrs, Rahaf Farag

Wie alles begann

Beim Gedanken an Citizen Science fallen oft natur- und umweltwissenschaftliche Projekte als erstes ein – von Insekten zählen bis Plastik sammeln. Aber Citizen Science ist viel breiter aufgestellt. So gibt es auch Projekte an der Schnittstelle zwischen Citizen Science und Sprachwissenschaft – und zwar vielfältig, alltagsnah und greifbar; schließlich nutzen wir Sprache ganz alltäglich. In unserem Citizen-Science-Projekt „Die Sprach-Checker“ vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim erkunden Kinder und Jugendliche etwa ihre Sprache(n) wie auch die Sprachen in ihrem Umfeld. 

Auf Citizen-Science-Tagungen, wie dem Forum Citizen Science, der ECSA, ÖCSK oder der CitSci Helvetia (der deutschen, europäischen, österreichischen und schweizer Citizen-Science-Konferenz), begegneten wir in den letzten Jahren nur vereinzelt weiteren Projekten, die in der Sprachwissenschaft angesiedelt sind. Gleichwohl wurde bei den Tagungen deutlich, dass Sprache für viele Citizen-Science-Projekte eine wichtige Rolle spielt, gerade wenn es um Einbindung, Inklusivität und Kommunikation geht. Auch in Formaten wie der digitalen Mittagspause von mit:forschen! oder den Projektvorstellungen von Inside Sparkling Science sind uns immer wieder sprachbezogene Projekte begegnet. All diese spannenden Projekte müssten doch zusammengebracht werden! Gedacht, geplant – die Idee für ein Treffen zu „Sprachforschung und Citizen Science“ war geboren, nicht zuletzt aus der tiefen Überzeugung, dass diese Schnittstelle eine sehr bereichernde ist und viele Potenziale birgt. 

Warum Sprachforschung und Citizen Science?

… Weil es einfach passt! Schon historisch haben Bürger*innen zur Erforschung von Sprache beigetragen – sei es zu Dialektforschung oder Wörterbüchern. Selbst die Gebrüder Grimm nutzten für ihr Deutsches Wörterbuch das Sprachwissen der Vielen.

Sprache ist allgegenwärtig, nahbar und eng mit Identität, Zugehörigkeit, unserem Miteinander und gesellschaftlichen Prozessen verbunden – wir alle sind Expert*innen für unsere Sprache(n). Citizen Science knüpft daran an: Sie ermöglicht, gemeinsam Sprachschätze zu bergen, neue Fragen zu entwickeln und unterschiedliche Perspektiven einzubringen. Die Sprachwissenschaft bietet dafür Methoden und Hintergründe. Zusammen entsteht ein ideales Team, um Wissenschaft greifbar zu machen und Teilhabe, neue Sichtweisen und Innovationen zu fördern.

Von der Idee zur Tagung

Als die Idee eines sprachbezogenen Citizen-Science-Treffens geboren war, schrieben wir Projekte aus dem deutschsprachigen Raum an, die wir auf Tagungen kennengelernt oder auf verschiedenen Citizen-Science-Plattformen entdeckt hatten. Wir baten um Weiterleitungen an mögliche Interessierte aus diesem Bereich und hielten zugleich stets Ausschau nach weiteren Projekten.

Die Rückmeldungen waren so positiv und bestärkend, dass sich unsere Idee über die Zeit von einem „einfachen“ Treffen zu einer vielfältigen Tagung entwickelte. Wir hatten den Eindruck, offene Türen einzurennen. Solch ein Format gab es bislang nicht und Themen rund um sprachliche Vielfalt, Teilhabe und die sogenannte „Third Mission“ sind hoch aktuell. Sprache ist hierbei ein Thema, das Brücken bauen kann. Trotzdem ist Sprachforschung in der Citizen-Science-Community weniger sichtbar – und Citizen Science wiederum in der Sprachforschung aktuell noch relativ wenig bekannt. 

Bereits vor der Tagung entwickelte sich bei uns der Eindruck eines beginnenden Community Buildings, an das wir während der Tagung anknüpfen konnten. 

Mit:Sprache – Zwei Tage reger Austausch

Mannheim ist mit seinen Quadraten in der Innenstadt quadratisch, praktisch, gut und durchzogen von Mehrsprachigkeit – der perfekte Ort für unsere Tagung, die am 14. und 15. Juli 2025 stattfand. Teilnehmende reisten aus Deutschland, Luxemburg, Italien, Österreich und der Schweiz an und vertraten über 20 Projekte an der Schnittstelle zwischen Sprachforschung und Citizen Science. 

Der erste Tagungstag mit gut 50 Teilnehmenden war Projektvorstellungen in vier Vortragssessions sowie einer Postersession gewidmet. Die Themen reichten von sprachlicher Vielfalt und Inklusivität über Apps, Archive und partizipative Formate bis hin zu sprachlicher Kreativität, KI und Methoden – mit Zielgruppen von Klein bis Groß. 

•	Auftakt der Postersession
Auftakt der Postersession, Foto: IDS

Folgende Projekte waren vertreten (alphabetisch sortiert):

Auf der Tagungswebsite finden sich weitere Informationen zu den Beiträgen. 

Es gab vielfältige Einblicke in Projekte wie auch Weitblicke auf das Feld, begleitet von angeregten Diskussionen. Diese reichten von Themen wie Ansprache und Inklusivität über die Ausrichtung von Citizen-Science-Projekten (z.B. hinsichtlich wissenschaftlicher Erkenntnisse, Methoden als Forschungsgegenstand oder Bildung) bis hin zu Fragen der Datenqualität und Anerkennung von Citizen Science oder dem Umgang mit Wissenschaftsskepsis.

•	Wortwolke basierend auf den Kurzzusammenfassungen (Abstracts) der Beiträge zur Tagung „Sprachforschung und Citizen Science“
Wortwolke basierend auf den Kurzzusammenfassungen (Abstracts) der Beiträge zur Tagung „Sprachforschung und Citizen Science“, erstellt mit wortwolken.com

Der zweite Tagungstag diente dem vertieften Austausch und der Vernetzung. Einen bewegten Auftakt bot ein morgendlicher Mural-Walk mit Dr. Pamela Pachl (Forum Deutsche Sprache, IDS), die lebendige Einblicke in STADT.WAND.KUNST als Museum im öffentlichen Raum in Mannheim gab. Sie zeigte uns, wie sich Kunst, Kultur und Schrift im öffentlichen Raum begegnen und ineinandergreifen – von bunten Einblicken bis hin zu tiefgreifenden Geschichten und Hintergründen. 

Teilnehmende beim Mural Walk
Muralwalk mit Dr. Pamela Pachl in den Mannheimer Quadraten, Foto: IDS

Eine folgende Fokus-Session war dem Forum Deutsche Sprache als künftiges Zuhause für Citizen Science und partizipative Formate gewidmet. Das in den nächsten Jahren in Mannheim entstehende Forum Deutsche Sprache vereint Funktionen eines Science Centers, Museums und Begegnungsorts. Dort wird Sprachforschung zum Erleben und Mitmachen ermöglicht und ebenso ein Raum für diverse Kooperationen geschaffen. 

Im abschließenden World Café zu „Sprachforschung und Citizen Science“ trugen wir Potenziale, Ideen und Ziele für eine zukünftige Zusammenarbeit zusammen. Der Tagungsabschluss stellte damit den Auftakt für eine weitere Vernetzung dar. 

Rück- und Ausblicke

Die Tagung war für uns von einer vibrierenden Atmosphäre begleitet – Sprachforschung ist ein Bereich, der in und mit Citizen Science vielfältig gelebt wird. Wir erlebten ein wertschätzendes, konstruktives Miteinander, eine Community mit zahlreichen Methoden und Ideen. Man fühlt sich nicht mehr allein auf weiter Flur. Ähnliche Rückmeldungen erreichten uns auch nach der Tagung, nicht zuletzt im Rahmen einer Feedback-Umfrage. Da wir möglichst vielen die Teilnahme terminlich ermöglichen wollten, war das Programm sehr straff, aber insgesamt fielen die Rückmeldungen sehr positiv aus. Neben der ausgeprägten allgemeinen Zufriedenheit zeigte sich im Spezifischen, dass neue arbeitsbezogene Kontakte geknüpft wurden, es neue Einblicke im Bereich Sprachforschung und Citizen Science gab und durch die Tagung eine größere Community wahrgenommen wird. Eine Person merkte auch das „überraschende Gemeinschaftsgefühl, obwohl man sich ja noch gar nicht richtig gekannt hat“ an. Zudem wurde bestätigt, dass eine weitere Vernetzung als sehr sinnvoll angesehen wird. 

Das letzte Wort…

….geben wir den Tagungsteilnehmenden:

Statements von Tagungsteilnehmenden zu Synergien von Sprachforschung und Citizen Science zeigen, dass mit Citizen Science Forschungsfragen angegangen werden können, die sonst nicht realisierbar wären; dass gleichzeitig auch Sprachforschung dem Citizen-Science-Ansatz frischen Wind einhauchen kann – und dass beide Stränge zusammenpassen und zusammengehören!

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Über die Gastautorinnen: 

Die Gastautorinnen arbeiten als Wissenschaftlerinnen am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) im Programmbereich „Dokumentationszentrum der deutschen Sprache“, den Christine Möhrs leitet. Rahaf Farag hat einen Schwerpunkt im Projekt „Spracherhebung und Dokumentation“, Janin Rössel im Projekt „Sprachforschung und Citizen Science“. Citizen Science begleitet sie alle im (Arbeits-)Alltag – wie im Citizen-Science-Projekt „Die Sprach-Checker“ und mit Blick auf das Forum Deutsche Sprache (s.o.).


Weitere Tagungsrückblicke aus Teilnehmendensicht finden sich hier:

Alles rund um Linguistik und Partizipation: Die Tagung „Sprachforschung und Citizen Science 2025“ (Barbara Heinisch) 

Konferenzrückblick: Ö-Projekt auf der Tagung zu „Sprachforschung und Citizen Science“ am IDS Mannheim (SFB 1646 „Sprachliche Kreativität in der Kommunikation“) 
 

Gastautor*in(nen)

Auf dem Blog von mit:forschen! laden wir Gastautor*innen ein über ihre Perspektive auf Citizen Science und jeweilige Themenschwerpunkte zu berichten. Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.